Eigentlich schien der Pfad für Anja Kolbe-Nelde aus Schönewerda (Thüringen) gesetzt: Auf ihre Ausbildung zur Bankkauffrau folgten etwa 20 Jahre Karriere in einer Bank. Ihre Leidenschaft war allerdings immer eine ganz andere. Auch wenn zwischenzeitlich mal andere Dinge in den Vordergrund rückten, richtig vergessen hat sie sie nie.
Schließlich traf sie einen mutigen Entschluss und begab sich mit Thüringer Know-How in eine Phase der Ungewissheit. Fünf Jahre später sorgt sie damit über die Grenzen des Freistaats hinaus für ein Beben. Was Anja hier aufgebaut hat, halten viele Experten für eine Sensation.
Thüringer Landwirtin sorgt für Beben
„Ich hatte hier neben meinem Wohnhaus eine Pferdewiese, mit so einen kleinen Verkaufsladen, die dann verkauft wurde“, sagt die Unternehmerin im Thüringen24-Gespräch. Es sollte die erste Fläche für ihre neue Betriebsidee werden, mit der sie sich voll und ganz ihrer Leidenschaft widmen konnte. Von klein auf spielten nämlich Pilze im Leben der Thüringerin eine große Rolle.
„Ich erzähle es mal so, dass ich familiär mit Pilzen aufgewachsen bin“, sagt Anja. „Also meine Oma war Försterin, meine Eltern sind immer mit uns Pilze sammeln gegangen. Dadurch hat sich einfach so eine Leidenschaft für Pilze entwickelt, schon seit ich klein bin.“
„Wenn frei war, war ich immer im Wald“
In der Berufswahl überwog aber zunächst die Vernunft. „Ich dachte so, ‚Okay, Bankkauffrau, das machst du‘“, sagt die Landwirtin. Dadurch habe sie auch die Pilze so ein bisschen aus den Augen verloren, komplett loslassen konnte sie von ihnen allerdings nicht. „Irgendwann ging es dann wieder los und wenn frei war, war ich immer im Wald“, sagt Anja.
In ihrer Bank-Filiale ging es dann so weit, dass ihre Kunden sie fast nur noch als „Pilzfrau“ kannten. Vielleicht hat sie auch das dazu ermutigt, ihrer Leidenschaft auch tiefer nachzugehen. 2014 kam es dann zum kleinen Schnitt und sie entschloss sich dazu, eine Pferdekoppel zu kaufen und daraus eine Pilz-Farm zu machen. „Ich hatte nebenbei vor 2014 schon angefangen mich an Pilzen ausbilden zu lassen“, sagt sie. Neben der Arbeit waren das etliche Schulungen, Wochenend- und Abendkurse. Dadurch kam sie auch dem Thema Pilz-Zucht immer näher, so dass sich nach und nach eine revolutionäre Idee herauskristallisierte.
„Ich möchte Schönewerda zum Trüffeldorf machen“, sagt die Unternehmerin. „Das heißt, hier ist der Entstehungsort der Geschichte für Thüringer Trüffel.“
Thüringer Boden mit idealen Voraussetzungen
Die Bedingungen waren dafür auf ihrem gekauften Grundstück ideal. Überhaupt eignen sich viele Regionen im Freistaat bestens für die Trüffel-Zucht. „Diese Pilz-Art mag Kalk im Boden“, sagt Anja. „Deswegen ist er auch bei uns in Thüringen so verbreitet, wir haben viel Kalkgestein im Boden und der Boden, der oben aufliegt, ist dann alkalisch. Da fühlt sich der Pilz wohl.“ Mit dem Aufkommen der modernen Landwirtschaft ist das aber mehr und mehr in Vergessenheit geraten. Ein Umstand, den Anja mit ihrem Unternehmen zu verändern sucht.
Mit ihrer „Thüringer Freilandpilze GmbH“ baut sie auf der einen Seite selbst Trüffel an, auf der anderen Seite liefert sie auch Setzlinge für Kunden. Daneben gibt es von ihr und ihren Mitarbeitern auch jede Menge Beratung in Sachen Trüffelanbau. Wenn du dir also nicht sicher bist, ob sich dein Boden zum Trüffelanbau eignet, kannst du dich trotzdem bei Anja und ihren Kollegen melden.
Start einer Jahrhunderte währenden Tradition?
„Was wir machen, ist dass wir genau aus der Natur in die Kultur übertragen“, sagt die Thüringer Pilz-Expertin. „Das heißt, wir schauen in der Natur: Wie macht der Pilz das und wie kann ich ihn entsprechend anbauen?“
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Dass das funktioniert, das zeigt sich bereits in diesem Jahr – und das Jahre früher als viele für möglich gehalten hätten. „Andere Trüffelbaumschulen auch im Ausland sagen: Nach dem siebten Jahr geht’s los, haben wir jetzt nach dem fünften Jahr Auspflanzung“, sagt die Landwirtin. „Und wenn sich einmal der Pilz ausgebreitet hat, dann lebt er dort und kann über Jahrhunderte Pilze bringen.“