Es war einer der großen Hammer in den Kommunalwahlen in Thüringen: Eine Stadt, die schon zuvor als eine der AfD-Hochburgen im Freistaat galt, wurde in ein noch tieferes Blau getränkt. Mit 35,1 Prozent erzielte die AfD in Gera das mit Abstand stärkste Ergebnis unter den kreisfreien Städten in Thüringen. Die ohnehin schon starken 28,8 Prozent in der Kommunalwahl 2019 konnte die Partei damit um 6,3 Prozentpunkte toppen.
Sie überrascht das wenig: Die Business-Managerin und Migrationsexpertin Annakatarina Schroth hat sich für ihre Partei, die Grünen, zur Stadtratswahl aufstellen lassen. Den Rechtsruck beobachtet sie seit langem in ihrer Stadt. Im Thüringen24-Gespräch berichtet sie von einem giftigen Wahlkampf – und warum sie trotz einer Klatsche in der diesjährigen Wahl für ihre eigene Politik nicht die Hoffnung aufgibt.
Thüringen: Migrations-Politikerin wird deutlich
„Ehrlich gesagt hat mich das gar nicht überrascht“, erklärt die Grünen-Politikerin mit Blick auf das Ergebnis der AfD. „Ich habe natürlich anderes gehofft. Aber ich bin ja viele Jahre in der Wirtschaft in Marketing tätig und schaue mir die sozialwissenschaftliche Entwicklung an. Da konnte ich mir schon ableiten, wo das hingehen wird.“
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Wirklich stark war ihre Partei in Gera nie. Zuletzt stellten die Grünen im Stadtrat aber immerhin drei Sitze, von denen sie jetzt zwei abgeben mussten. Ob sie an die AfD abgewandert sind, ist zwar fraglich. Dennoch konnte die Rechtsaußenpartei insgesamt drei Sitze hinzugewinnen. Daneben stellt auch die CDU in Zukunft einen Stadtrat mehr, was aber für Schrot ebenfalls als rechtskonservativer Ruck in der Stadt zu deuten ist. „Wir haben in der Stadt auch eine CDU, die sich in vielen Positionen oft nicht viel von der AfD unterscheidet“, sagt sie. „Einzelpersonen würde ich da herausnehmen.“
„Gemacht haben die immer fast nichts“
Sie selbst hatte auf Platz vier der Grünen-Liste nur Außenseiterchancen auf einen Einzug ins Kommunalparlament. Entsprechend gibt sie sich im Gespräch mit unserer Redaktion auch nicht sonderlich schockiert darüber, dass sie es nicht gepackt hat. „Ich bin sehr realistisch“, erklärt sie. „Ich hätte mich natürlich aber gefreut über ein positiveres Ergebnis.“
Schroth wurde 1987 in Russland geboren, wuchs in Erfurt auf und machte sich später in Gera im Marketing selbstständig. Zurzeit ist sie auch als Wahlkreismitarbeiterin bei der Landtagsabgeordneten Laura Wahl tätig. Daneben engagiert sie sich in Thüringen aber auch für die Integrationsarbeit und gründete zusammen mit anderen zum Beispiel das Netzwerk „MigraFem“, das Frauen mit Migrationshintergrund in der Politik fördern möchte.
Trotz des starken Abschneidens der AfD befürchtet sie nicht, dass die Kommunalpolitik in der Stadt komplett umgekrempelt wird. Wohl aber, dass eine verstärkte Fraktion auch mehr Ressourcen frisst. „Die Fraktion der AfD hatte immer zwei Leute als Fraktionsgeschäftsführung. Gemacht haben die immer fast nichts“, so die Grünen-Politikerin. „Ich erwarte eigentlich lediglich, dass sie selbst nicht viel mehr reißen.“
Grünen-Politikerin mit „wenig Hoffnung“
Viel schwerer wiegen würden die finanziellen Mittel, die den anderen Fraktionen nicht mehr zur Verfügung stünden. Und ihre große Angst, dass „das Thema Ablehnung von Menschen noch alltagstauglicher wird“.
Denn obwohl sie in vielen Bereichen Grüner-Politik einen gewissen Sinneswandel in Thüringen wahrnimmt, hat sie beim Thema Integration und Migration „wenig Hoffnung“. Ihre Einschätzung ist bitter: „Da herrscht von Grund auf eine Ablehnung, eine Abgrenzung. Mir fällt es schwer nachzuvollziehen, warum.“ Sie beklagt, dass viele Thüringer das Thema offenbar als „Einbahnstraße“ verstehen. „Man erwartet von Menschen, dass sie sich nicht nur integrieren, sondern assimilieren“, so Schroth.
Eine „Einbahnstraße“ – wenn auch nur eine imaginäre – wurde dann auch zum Aufhänger einer giftigen Szene während ihres Wahlkampfes. Und das beim allerersten Plakat, das sie aufhängen wollte: „Das war auf so einer Straße, wo es schwer war, dass zwei Autos nebeneinander passen“, erklärt sie. „Da fuhr dann langsam ein großes Auto vorbei – und sie haben es dann offensichtlich auch geschafft, gleich rückwärts vorbeizufahren und uns zu sagen, dass wir doch den Weg blockieren würden wir Blöden.“
„Ich habe es tatsächlich mit Humor genommen, weil die Situation so doof gewesen war“, sagt die Grünen-Politikerin.
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Auch für ihre persönliche politische Zukunft gibt sie die Hoffnung nicht auf: „Ich kann nur appellieren an alle, stark zu bleiben und im Integrationsbereich zu arbeiten. Aber eben auch die Verbindung zu den nicht-migrantischen Menschen zu halten.“