Seit über 30 Jahren sind die Braukessel an der Pörze in Rudolstadt (Thüringen) nun kalt. Am 26. Februar 1991 – nur zwei Tage vor dem Geburtstag der Pörzbrauerei – beschloss die Treuhand: „Das Bierbrauen wird mit sofortiger Wirkung eingestellt.“ 280 Jahre Tradition fanden in der Thüringer Stadt damit ihr vorzeitiges Ende.
Bis jetzt. Denn durch den beispiellosen Einsatz einiger Rudolstädter konnte verkündet werden: „Rudolstadt hat seine Pörzbrauerei wieder und die Tradition kann weiter gehen.“ Thüringen24 hat mit dem Mann gesprochen, ohne den das alles nicht möglich gewesen wäre. Im Gespräch wird klar: Die Restaurierung ist vor allem eins. Eine Herzensangelegenheit.
Thüringen: „Mein Opa war vierzig Jahre dort“
„Ich bin 36 Jahre alt und bin im Prinzip seit 36 Jahren auf dem Grundstück“, erzählt Martin Philipp. „Ich bin dort geboren. Meine ganze Familie hat in der Brauerei gearbeitet. Ich bin als Kind die ganze Zeit in der Pörze gewesen.“
Mit der Wende war dann aber plötzlich Schluss mit dem Brauereibetrieb. Aus Sicht der Treuhand war nur noch die Abfüllung und der Vertrieb von Bier und alkoholfreien Getränken wirtschaftlich. Viele Räumlichkeiten lagen ab diesem Zeitpunkt brach und wurden mehr und mehr zum „Lost Place“. Fast alle Mitarbeiter verloren ihre Jobs. Für viele Lag damit ein Lebenswerk quasi in Schutt und Asche.
„Mein Opa war vierzig Jahre dort und hat das Ende miterlebt“, erinnert sich Philipp. Auch für ihn selbst war das Ende der Brauerei ein einschneidendes Erlebnis. Eines, das ihn einfach nicht loslassen sollte. Für ihn und seine Familie war das Bierbrauen gelebte Tradition. Kein Wunder also, dass er das Handwerk weiterverfolgte. 2002 absolvierte er in der Brauerei in Watzdorf zuerst ein Praktikum und schließlich eine Lehre zum Brauer.
„Okay, jetzt müssen wir eine Brauerei bauen“
„Aus privaten Gründen bin ich dann weg aus Watzdorf und Lkw-Fahrer geworden“, erklärt Philipp. „Aber weil es mein Leben war, habe ich gedacht: ‚Okay, jetzt müssen wir eine Brauerei bauen‘.“
Dabei fing alles ganz klein an. Aus alten Waschmaschinen baute sich Philipp eine kleine Brauanlage. Seit 2013 braute er damit für Familie und Freunde. Seine eigentlichen Pläne waren aber wesentlich größer als das – und begannen ab 2016 mehr und mehr Realität zu werden.
In diesem Jahr kaufte er das obere Teil des Grundstücks an der Pörze, zu dem auch die ehemaligen Hauptgebäude der Brauerei gehörten, die zu diesem Zeitpunkt noch brach lagen. Das Projekt war so ambitioniert wie wagemutig: Die ehemalige Pörzbrauerei wieder zum Leben zu erwecken.
Thüringer Brauerei setzt wieder Sud an
„Wir haben alles gemacht, neuen Strom, neue Dächer, neue Wasserleitungen. Alles in Handarbeit, ein paar Jahre lang immer nach Feierabend“, erinnert sich… „Ich habe zum Glück Freunde und Kumpels in jedem Fachgebiet“, lacht er.
Trotzdem dauerte es Jahre, bis das ganze Projekt endlich seine Vollendung fand. Am 18. Dezember konnte die neue, alte Pörzbrauerei aber endlich verkünden: Das Lebensmittelüberwachungsamt hat die neuen Räumlichkeiten freigegeben. „Nach 6 Jahren Bauzeit und 32 Jahren Stillstand“, liest es sich in einer privaten Facebook-Gruppe.
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Der erste Sud wird übrigens am 30. Dezember aufgesetzt. Mit etwas Glück ist dann das erste Bier – natürlich ein Pils – pünktlich zum Brauerei-Geburtstag am 28. Februar fertig.