Die Debatte nimmt kein Ende. Auch in Thüringen nicht. Kaum kocht die Diskussion um Wölfe und ihre Gefahr für Weidetierhalter wieder ein bisschen runter, meldet sich der nächste Politiker mit einer kontroversen Forderung zu Wort.
Am Montag (4. September) war das Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Gegenüber der Welt sagte sie, dass sie die Abschüsse von Wölfen in Deutschland erleichtern möchte. In Thüringen waren davon viele überrascht – darunter Wolf-Experte Silvester Tamàs vom NABU-Thüringen. Im Thüringen24-Gespräch verrät er, warum er den Vorstoß nicht so wirklich nachvollziehen kann.
Thüringen: Diskussion um den Wolf
Im Freistaat hatte das Thema zuletzt wieder die FDP-Landtagsfraktion auf den Tisch gebracht. In einem Facebook-Beitrag vom Donnerstag (31. August) überlegen die Freien Demokraten sogar, ob der Wolf nicht sogar ins Jagdrecht aufgenommen werden sollte. „Der Wolf ist weder ein Kuscheltier noch ist er dank zahlreicher Schutzmaßnahmen vom Aussterben bedroht“, wird etwa der Thüringer FDP-Chef Thomas Kemmerich zitiert. „Weitgreifende Regelungen zum Schutz von Schafen und anderen Weidetieren vor Wölfen sind deshalb nicht nur möglich, sondern auch nötig.“
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Silvester Tamàs ist da etwas anderer Meinung. Aus seiner Sicht liefert der Wolf auch in Thüringen einen „großen ökologischen Mehrwert.“ „Wir haben noch zu wenig Wölfe in Deutschland, das muss man ganz klar sagen“, erklärt er im Thüringen24-Gespräch. „Wir haben eine große Aufgabe vor uns, gerade in Thüringen mit zehn Wölfen aktuell, wo noch einer mit Räude befallen ist.“ Seit 2014 habe sich am Wolfsbestand im Freistaat wenig getan, so der Experte. Für ihn ist das „Problem“ Wolf eindeutig ein ausgemachtes.
Thüringen: „Schlecht oder mangelhaft geschützt“
„Die meisten Schafs- oder Ziegenrisse sind darauf zurückzuführen, dass die Herden schlecht oder mangelhaft geschützt worden sind“, findet Tamàs. Bundesweit zählt die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) bis 2022 etwa 4.300 Nutztiere, die von Wölfen gerissen worden sind. Meistens sind das Schafe oder Ziegen. „Wir können praktisch die Hälfte dieser Tiere schon mal schützen, wenn wir es richtig machen“, so Tamàs.
Richtig, das heißt vor allem ausreichend hohe Elektrozäune (die meisten Bundesländern empfehlen mindestens eine Höhe von 90 Zentimetern) und einen Herdenschutzhund. Beides würde mittlerweile mit bis zu 100% vom Land gefördert, erklärt Tamàs: „Sogar Photovoltaikanlagen zur Betreibung der Zäune.“
„Das ist der größte Käse“
Der finanzielle Aufwand steigert sich für die Weidetierhalter durch den Wolf aus seiner Sicht also nicht. Beim Arbeitsaufwand sieht das etwas anders aus. Klar, Zäune müssen auch installiert und in Schuss gehalten werden. Auch ein Herdenschutzhund braucht Pflege und Aufmerksamkeit. Dennoch: „Es darf nicht das Tor aufgemacht werden zur sehr begehrten Jagd“, sagt der Wolfs-Experte.
Mit der Jagd würde man nicht flächendeckend verhindern können, dass es Risse gebe, erklärt Tamàs weiter. „Erleichterte Abschüsse erleichtern keinem Weidentierhalter den ordentlich wirksamen Herdenschutz“, so der NABU-Sprecher. „Wölfe sind so faul, wenn die eine gewischt kriegen, gucken sie da nicht mehr hin.“ In Thüringen gebe es derzeit ohnehin keinen Kandidaten für einen Abschuss. Allerdings räumt Tamàs ein: Sollte ein Wolf für einen Weidetierhalter zum Problem werden, sollte durchaus die Möglichkeit einer Entnahme bestehen bleiben. Dann müsse das Tier aber auch eindeutig identifiziert werden.
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Für alle Beteiligten wäre es aber natürlich am besten, wenn schon der erste Riss verhindert werden könnte. Dabei gibt es für Tamàs fast keinen Weg vorbei an einem Herdenschutzhund. „Die sind das Non-Plus-Ultra“, so der Experte. „Wir haben das bei der Wölfin von Ohrdruff gesehen. Als Herdenschutzhunde ins Spiel kamen, waren die Risszahlen komplett im Keller. Das hat eine Wirkung.“