Wer in Thüringen oder Sachsen lebt, kennt ihn: Den Leipziger Auwald. Er ist ein wahres Naturjuwel im Osten. Seltene Vögel, ein Urwald mitten in der Stadt, eine grüne Oase.
Doch jetzt droht ihm das Ende. Dürre, Hitze, fehlende Überschwemmungen – der Auwald steht unter mächtigem Stress. René Sievert, Vorsitzender des NABU-Regionalverbands Leipzig spricht mit Thüringen24 nun offen über die Ursachen, Gefahren und mögliche Folgen.
Die grüne Lunge des Ostens trocknet aus
„Also grundsätzlich ist natürlich die Trockenheit und auch die Hitze, die vor allen Dingen an mehreren Jahren hintereinander uns ereilt hat in den letzten Jahren, für die Wälder in Deutschland ein Problem“, erklärt Sievert. Aber: Der Leipziger Auwald ist kein üblicher Wald. Er ist ein Wald, der von Wasser lebt – von Überschwemmungen, um genau zu sein. Diese gibt es schon längst nicht mehr. „Wenn es ein intakter Auwald wäre, dann hätten wir das Problem mit der Dürre gar nicht so sehr wie in anderen Waldtypen“, sagt Sievert. „Dadurch, dass diese Überschwemmungen schon seit vielen Jahrzehnten gar nicht mehr stattfinden, befindet sich der Wald sowieso in einem ökologisch extrem schlechten Zustand“, führt der NABU-Vorsitzende fort.
+++ Beunruhigende Entwicklung im Osten! „Überdurchschnittlich oft“ +++
Kurz: Wir haben versagt. Das sagt auch René Sievert. Wenn wir uns um den Wald besser gekümmert hätten als Menschheit, dann hätten wir heute über ganz andere Dinge gesprochen – aber jetzt haben wir das Problem umso stärker, erzählt er.
„Wie Blumen, die man vergessen hat zu gießen“
Seit Monaten wird in den Leipziger Gewässern extremes Niedrigwasser gemessen und „das verschärft im Grunde die Situation“. Was das bedeutet, erklärt er an einem Beispiel: „Im Naturschutzgebiet Luppeaue haben wir in den letzten Jahren und insbesondere auch in diesem Jahr durch das Niedrigwasser eben die Situation, dass wir aus der Weißen Elster gar kein Wasser dafür entnehmen können.“ Das Ergebnis: Feuchtgebiete trocknen völlig aus und mit ihnen zusammen Leben – Frösche, Insekten und Pflanzen.
Was mit dem Wald selbst passiert? Die Bäume verwelken ähnlich wie „Blumen in der Blumenvase, die man vergessen hat zu gießen“, erklärt Sievert. Ein Satz, der hängen bleibt. Selbst, wenn es wieder regnet – viele Bäume überleben nicht. Und der Rest wird bleibende Schäden tragen. Hinzu kommen Käfer, Pilze und Krankheiten wie das Eschensterben. Der Auwald ist verwundet, sensibel und anfällig wie noch nie.
Wenn der Auwald stirbt, stirbt Vielfalt – es ist nicht zu spät
Insbesondere die Nordwestaue leidet massiv. „Es gibt nicht genug Wasser und auch die Anbindung ans Grundwasser ist da nicht optimal“, erklärt der NABU-Vorsitzende vom Regionalverband. „Diese Schritte, die sind halt viel zu klein und zu langsam, um da tatsächlich was zu bewirken.“ Er erinnert daran, dass der Auwald viel mehr ist als nur Bäume: Ein Lebensraum, Erholungsgebiet und auch eine Klimaanlage. „Ohne den Wald wäre es natürlich schlecht, der Wald er kühlt. Er versorgt uns quasi letztendlich mit Luft, Feuchtigkeit und so weiter. Und das wäre dramatisch, wenn es diese grüne Lunge nicht gäbe.“
Grund für Hoffnung gibt es trotzdem: Der Auwald kann noch erhalten bleiben. Der Schwellwert ist schon überschritten, da es kein intakter Auwald mehr ist. Aber zum Glück ist es nicht unumkehrbar. Mit der neuen EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur gäbe es Chancen. Dafür muss aber dringend gehandelt werden. „Die Kenntnisse sind da, aber in der Realität gibt es weder kleine noch große Maßnahmen, wo man sieht, dass sich das auch in Handeln umsetzt.“
Wenn ein Handeln zu spät kommt „wäre [das] ganz dramatisch“, warnt Sievert. Das Auen-Ökosystem ist so artenreich – um genau zu sein der artenreichste Lebensraum in ganz Europa. Vom Mittelspecht bis zum Eisvogel – viele Arten finden hier Heimat. Wenn die Aue austrocknet, verschwindet die Vielfalt. Damit verschwindet auch ein Stück Natur, das einzigartig ist – einzigartig für Leipzig und den ganzen Osten. Wie René Sievert es gut zusammenfasst: „Man müsste da ein ziemlich großes Rad drehen, um den Leipziger Auwald als Auwald zu erhalten.“

