Wie kommt die thüringische Stadt Ilmenau ans andere Ende der Welt – in den Namen eines Restaurants in Santiago de Chile? Hinter dem von deutscher Tradition strotzenden Restaurant im Herzen der chilenischen Hauptstadt steckt die Geschichte einer Familie.
Es ist eine Geschichte von Krieg, Flucht, Neuanfang und der Leidenschaft für die thüringische und deutsche Küche. Eine Geschichte, die vor über 70 Jahren begann – in Ilmenau, der kleinen Stadt im Herzen Thüringens. Wir haben den Betreiber von „Elkika Ilmenau“ gesprochen – und sind mit ihm auf eine Zeitreise gegangen.
Vom Krieg in Thüringen ins neue Leben in Chile
„Der Großvater meiner Frau – Hans Heyn – wurde 1914 in Ilmenau geboren“, erzählt Máximo, der heutige Betreiber des Restaurants in Chile. „In Ilmenau gab es viele Handwerker, die Laborartikel aus Glas herstellten. Er war einer von ihnen.“
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Hans Heyn kämpfte im Zweiten Weltkrieg an der russischen Front, geriet in Gefangenschaft – und kam irgendwann frei. „Nach dem Krieg kam Ilmenau unter russische Besatzung. Ihm hat das nicht gefallen, und er ist in eine andere Stadt in Deutschland gezogen, wo er wieder als Glashersteller arbeitete“, sagt Máximo zu Thüringen24.
„Während er dort war, hörte er das erste Mal von Chile – und fragte, ob es dort jemanden gäbe, der das mache, was er mache. Man sagte ihm: Ja! Also packte er alles zusammen – seine Frau, seine beiden Söhne – und ging nach Chile.“

Dort begann der Thüringer dann ganz von vorn. Er baute eine eigene Glaswerkstatt auf – und kaufte schließlich in den 1950er Jahren ein kleines Restaurant von einem anderen Deutschen. Es hieß damals „Kika“. „Als er in Kriegsgefangenschaft war, war er in der Küche beschäftigt. Er mochte das Kochen“, erzählt Máximo über Hans. „Aber im Grunde genommen sah er darin eine Möglichkeit, sein Unternehmen zu diversifizieren. Als Glaser wurde er schlecht bezahlt – das Restaurant erlaubte ihm tägliche Einnahmen.“
Vom Glasmacher in Ilmenau zum Gastronomen in Chile
Máximo führt das Lokal heute mit der Enkelin von Hans Heyn. Sie heirateten 1990, kurz danach übernahmen sie das Lokal. „Es hat als kleines Restaurant angefangen – und ist heute dreimal so groß“, erzählt Máximo stolz. „Wir haben mittlerweile ein zweites Lokal und planen schon das Dritte.“

Die Speisekarte ist ein kulinarischer Brückenschlag zwischen den zwei Welten Thüringen und Chile. „Der größte Teil dessen, was wir verkaufen, sind Sandwiches und Bier“, sagt Máximo. „In Chile verbindet man einige Sandwiches mit der deutschen Küche – etwa Schweinefilet-Sandwiches. Wir verkaufen auch ‚completos‘ – das sind Hotdogs mit Tomate, Avocado und Mayonnaise, ein typisch chilenisches Gericht. Aber dann haben wir auch deutsche Klassiker wie Fleischkeule, Leberkäse, Weißwurst, Currywurst. Und unsere Frikadelle – das ist das Rezept des Großvaters.“
Zu Besuch in Thüringen
Als Máximo mit seiner Frau und den drei Söhnen nach Ilmenau reist, wird die Verbindung dieser zwei Welten für ihn greifbar. „Wir haben festgestellt, dass es dieselbe Frikadelle ist, wie die, die wir im Restaurant machen. Und unser ‚Ilmenau‘-Sandwich – mit Leberkäse, Spiegelei und frittierter Zwiebel – haben wir dort ebenfalls gefunden.“ Die Reise ist für die Familie mehr als eine kulinarische Spurensuche. „Wir haben auch das Haus gesucht, in dem der Großvater gelebt hatte. Es gibt es aber nicht mehr.“

Heute zieren das Wappen von Ilmenau und das von Thüringen das Restaurant. In den Regalen stehen alte Bierkrüge, und auf der Karte findet man Apfelkuchen und Bienenstich neben chilenischen Spezialitäten. Das Bier kommt aus Bayern – Erdinger, Paulaner, Ayinger – oder aus Chile: Kunstmann, gebraut von einem deutschen Einwanderer.
So kam „Ilmenau“ in den Namen des Lokals
Das Lokal, das einst „Kika“ hieß, trägt heute offiziell den Namen „Elkika Ilmenau“. „Als wir das Restaurant übernahmen, merkten wir, dass der Name ‚Kika‘ nicht registriert war – jemand anders hatte ihn schon gesichert. Aber viele nannten uns ohnehin ‚Elkika‘ – also haben wir es einfach so genannt. ‚Ilmenau‘ kam dann als Hommage an den Großvater hinzu.“
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Heute bewirten Máximo und seine Familie täglich rund 2.000 Gäste in ihren beiden Restaurants. „Wir sind nicht riesengroß, aber wir haben den ganzen Tag geöffnet – von neun Uhr morgens bis ein Uhr nachts“, sagt er. „Und es kommen Menschen, die schon ihr ganzes Leben zu uns kommen.“
Hans Heyn kehrte nie wieder nach Thüringen zurück
„Mein Schwiegervater ist nie nach Deutschland zurückgekehrt. Sein Vater schon, aber nie nach Ilmenau – er wollte nicht in die DDR. Ich und meine Frau hatten immer die Idee, nach Ilmenau zu reisen und es kennenzulernen. Also haben wir eine Familienreise daraus gemacht und wollen auch nochmal hin“, erzählt er abschließend. Und so lebt die Geschichte von Hans Heyn – dem Glasmacher aus Ilmenau in Thüringen – weiter: In den Gerichten, den Rezepten und im Herz eines chilenischen Restaurants, in dem die deutsche Seele bis heute spürbar ist. Wie auch in den Herzen seiner Nachkommen.

