Wenn man über etwas schreibt, ist es immer von Vorteil, wenn man es auch testen kann. Das geht als Journalist leider nicht so oft, wie man es sich wünscht. Weder bei der Gehirn-OP noch bei der Autoreparatur, dem Künstler, den man besucht, oder dem Minister, den man zu seiner Arbeit befragt. Aber in diesem Fall ist es so einfach wie selten. Ich bin kein großer Fahrrad-Freak, eher der „Durchschnittskonsument“ mit vielen Fahrten im Stadtverkehr. Mit Tobias Spröte, Firmengründer von „Möve equipment und design“ aus Mühlhausen, mache ich mich auf den Weg, um den von seiner Firma entwickelten neuen Antrieb zu testen.
Wer keine Vorstellung davon hat, was man bei einer Fahrradkurbel so anders machen kann, braucht sich nur Folgendes vorzustellen: Man rollt auf die Ampel zu und instinktiv zieht man seine Pedale in eine Stellung, die möglichst viel Kraft beim Anfahren gewährleistet. Also knapp „over the top“, kurz hinter dem höchsten Punkt. Fünf nach Zwölf sozusagen. Das liegt daran, dass von der Kurbel nicht überall die gleiche Kraft übertragen wird. Bisher. Das ändert sich mit dem neuen Antrieb der Mühlhäuser.
Mit zwei Testrädern unterwegs …
Mit einen Mountenbike und einen Cityfahrrad bin ich mit dem sympathischen Thüringer auf Tour, der immer neugierig in eine Richtung schaut, wie ich denn so zurechtkomme. Seine Warnung vor dem Start, es fühle sich ungewohnt an, trifft vor allem für die leichteren Gänge zu. Seltsam drucklos ist es unter den Füßen, sodass man immer noch ein wenig mehr Widerstand sucht. Und ein wenig unrund, als laufe man über einen Waldweg mit Dellen und Erhöhungen. Das gibt sich aber schnell, denn das Gehirn ist eine grandiose Anpassungsmaschine. Bis wir den ersten Fahrradweg aus der Felchtalstraße heraus erreicht haben, dauert es keine drei Minuten. Bis dahin hat sich das, was sich kurzzeitig noch merkwürdig anfühlte, schon in eine gleichmäßige Bewegung gewandelt. Das Bedürfnis, etwas mehr „Tritt“ unter den Füßen haben zu wollen, ist aber noch da. Ich teste zuerst das Mountenbike, eine ungewohnte Sitzhaltung für mich als Besitzer eines City-Rades. Endlich kann ich einen schwereren Gang einlegen: Dass das Rad irgendwie anders läuft, habe ich schon fast vergessen, das Gehirn speichert das neue Bewegungsmuster schnell ab.
Video: Der Antrieb des Cyfly
Ein echtes Aha-Erlebnis
Mein persönlicher Wohlfühlgang ist ein nicht zu schnelles, entspanntes Treten, bei dem man aber trotzdem gut vorankommt. Irgendwas ist anders, aber so genau lässt sich das gar nicht mehr sagen. Im Handumdrehen haben wir den Stadtrand erreicht und hier wartet eine schöne Gerade: Na denn! Ich gebe Druck auf die Pedalen. Ich bin kein echter Fahrrad-Freak, aber ich spüre, dass ich schneller bin als sonst. Wir überschreiten die 30-km/h-Grenze recht locker.
Halbzeit. Wechsel: Nun auf das City-Bike. Was für ein Aha-Erlebnis! Jetzt fängt es an, richtig schön für mich zu werden. Die dünneren Reifen und die höhere Sitzposition kommen mir gelegen, das ist fast wie bei meinem Rad zu Hause! Nur irgendwie entspannter. Auf einem Feldweg geht es zurück. Ups: Feuerwehreinsatz vor uns. Bremsen, schneller Wechsel der Seite. Für mich als Schaltmuffel, der auch mit einem Singlespeed-Rad zurecht käme, macht sich gerade ein großer Vorteil bemerkbar. Irgendwie fühlt sich das Anfahren und der Wechsel der Geschwindigkeit einfacher an. Auch normalerweise schalte ich in der Stadt selten oder wenn, dann zu spät, mit der Folge, dass man immer viel Kraft braucht, um wieder in Tritt zu kommen.
Bewusst nicht auf die Fünf-nach-Zwölf-Position
An der nächsten Ampel bringe ich das Pedal bewusst nicht auf die Fünf-nach-Zwölf-Position, die typische Anfahrstellung: Und siehe da, es geht trotzdem zügig von der Ampel weg. Noch drei Kurven und der Tüftler sagt, „die Toreinfahrt dort vorne, wir sind zurück. So, das waren jetzt acht Kilometer“. Ich: „Was? Nicht dein Ernst, oder?“
Mein Fazit: Am besten ist das Rad wohl tatsächlich für Leute wie mich geeignet, Leute, die nicht übermäßig viel fahren, aber dennoch regelmäßig. Wer nur selten fährt, wird den Kraftvorteil nicht gleich zu schätzen wissen. Wer ganz viel und ganz lange Strecken fährt, und dieses Fahrgefühl in- und auswendig kennt, hat vielleicht Probleme mit der Umstellung des Trittgefühls. Allerdings passt sich das Gehirn schnell an. Nach acht Kilometern ist es, als habe man nie woanders draufgesessen.