Mit acht Jahren schon in einer Vorlesung sitzen: Kinderuniversitäten in Deutschland machen es möglich. Auch in Thüringen hat das Angebot einen Nerv vieler Mädchen und Jungen getroffen.
Anfang November wird es wieder krachen und qualmen an der Technischen Universität in Ilmenau. Dann nämlich, wenn ein Professor vorne am Pult steht und nicht normalen Studenten, sondern Hunderten Kindern beispielsweise erklärt, welche Rolle Zeit bei chemischen Reaktionen spielt. Quer durch Thüringen laden Universitäten und Hochschulen Kinder ein, den Studienalltag kennen zu lernen. Sie nennen das Kinderuniversität.
Die jungen Zuhörer bekommen eigene Studentenausweise, können sich aus dem Angebot kindgerechter Vorlesungen ein eigenes Programm zusammenstellen und in der Mensa essen. Das begeistert so viele Kinder, dass die Angebote ausgebucht sind und weiter wachsen, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab.
Kindern zeigen, dass es mehr als TV und Computer gibt
Alles soll sich möglichst echt anfühlen: Die Vorlesungen finden in großen Hörsälen statt, es gibt Aufteilungen in ein Sommer- und ein Wintersemester. Am Pult lehrt ein „richtiger“ Universitätsprofessor. „Die Kinder sind stolz wie Oskar, wenn sie ihren eigenen Ausweis in der Hand halten“, erzählt Madeleine Frasch, selbst noch Studentin und eine von zwei studentischen Hilfskräften, die die Kinderuniversität in Ilmenau auf die Beine stellen.
„Es geht darum, die Universität für die Kinder lebendig zu machen und ihnen zu zeigen, dass es noch mehr als Fernsehen und Computer gibt“, ergänzt Lisa Wollenschläger von der Universität Erfurt. Nicht nur die Kinder, auch die Universitäten sollen von den Vorlesungen profitieren: „Wir wollen, dass es den Kindern an der TU Ilmenau richtig gut gefällt und sie später einmal zurückkommen“, sagt Frasch.
Oft begleiten Großeltern ihre Enkel zur Kinderuni in Jena
Seit etwa dreizehn Jahren gibt es die Kinderuniversitäten in Thüringen. Die TU Ilmenau zieht mit 4000 Kindern die meisten kleinen Universitätsbesucher an. Überwiegend kommen Schulklassen, sogar aus Norddeutschland reist eine an.
In Jena geht es familiärer zu. Rund 350 Kinder besuchen hier pro Semester die Vorlesungen. „Das Angebot der Friedrich-Schiller-Universität richtet sich vorrangig an Einzelpersonen, nicht so sehr an Schulklassen“, sagt Organisatorin Anke Hädrich. Oft begleiteten Großeltern ihre Enkel. Auch sie interessierten sich für die Themen.
Die Themen sind für Hädrich das Erfolgsgeheimnis der Kinderuniversitäten: „Hier bekommen die Kinder etwas geboten, das im Unterricht in der Schule nicht vorkommt. Und das kurzweilig erklärt.“ So etwas Interessantes zu finden, kann aber ein langwieriger Prozess sein, wie Silvia Riedel, Organisatorin in Weimar, betont: „Die Themensuche ist schon sehr anspruchsvoll und zeitintensiv.“
Gesundheitsthemen sind bei der Kinderuni in Erfurt der Renner
Unterstützung bekommen die Organisatoren in Weimar jedes Jahr von einer Patenklasse. In diesem Jahr sind es die vierten Klassen der Grundschule „Johannes Falk“, die sich Neues überlegen und Plakate für die Kinderuniversität entworfen haben.
„Gesundheitsthemen begeistern die Kinder sehr. Alles, was mit dem Menschen zu tun hat, ist spannend“, sagt Riedel. Diese Erfahrung machen auch die Organisatoren in Erfurt und kooperieren deshalb mit dem Helios Klinikum. Ärzte und Hebammen sind in den Vorlesungen oft zu Gast. Im November lernen Erst- bis Viertklässler unter anderem, welche giftigen Substanzen im Haus und im Garten lauern.
Kinderuni auf arabisch und persisch
Vielseitig möchte auch die Universität in Jena sein. Zum ersten Mal halten in diesem Jahr Dozenten Vorlesungen, die kein Deutsch sprechen. „Die Vorlesungen werden auf arabisch und persisch sein und übersetzt. So sollen die Kinder auch etwas über die Biografie der Dozenten lernen“, erläutert Hädrich.
Erfurt war die erste Stadt, die vor dreizehn Jahren eine Kinderuniversität in Thüringen anbot. Inzwischen nehmen jährlich rund 2000 Knirpse an den Schnupper-Vorlesungen teil. Neben Ilmenau, Weimar und Jena gibt es weitere Angebote in Gera und Schmalkalden.
Die Vorlesungen des Wintersemesters finden zu unterschiedlichen Zeiten statt. Während die TU Ilmenau alle sechs Vorlesungen im November anbietet, finden sie in Weimar an vier Tagen zwischen Oktober und Dezember statt. In Erfurt können die Kinder sogar bis Januar Vorlesungen besuchen.
Auch in der Altersspanne unterscheiden sich die Kinderuniversitäten. In Erfurt etwa sind die Angebote für Fünf- bis 15-Jährige ausgelegt. Ilmenau dagegen konzentriert sich in den Vorlesungen auf 8- bis Zwölfjährige.