Nachdem bekannt wurde, dass Spuren des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt am Fundort des Skelettes der 2001 verschwundenen Peggy gefunden wurden, werden in Jena Erinnerungen wach. Immerhin ist es nicht das erste Mal, dass Uwe Böhnhardt im Zusammenhang mit dem Mord eines Kindes steht. Es war der 6. Juli 1993, als Bernd B. spurlos verschwand. Zwölf Tage später wurde der Leichnam des Neunjährigen am Ufer der Saale, in Büschen versteckt, südlich einer Gärtnerei gefunden. Die Leiche war zu dem Zeitpunkt schon stark verwest, bei der Obduktion fanden sich aber Hinweise auf sexuellen Missbrauch und dass der Junge gewürgt wurde.
Einer der Verdächtigen damals: Uwe Böhnhardt. Wenige Meter vom Fundort fanden die Ermittler damals einen Außenbordmotor, der zu einem Boot von Enrico T. gehört – ein Bekannter von Wohlleben. Zusammen besuchten sie die Rosa-Luxemburg-Schule. Böhnhardt, damals 15, und Enrico T., drei Jahre älter. Es war schon nach der Zeit, in der die beiden zusammen als Kriminelle durch Jena zogen. Böhnhardt kam für seine Straftaten im Februar 1993 kurzzeitig ins Gefängnis und wurde bereits im Juni wieder freigelassen. Doch es kam zum Streit zwischen den beiden und sie gingen getrennte Wege.
Als Kriminelle durch Jena gezogen
Fast zwei Jahrzehnte später, im April 2012, ist der tote Junge aus Jena wieder ein Thema. Bei den Ermittlungen zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU). Enrico T. erinnert die Beamten des Bundeskriminalamtes an den alten Fall in der Saalestadt. T. steht selbst im Verdacht, dass er den Rechtsterroristen bei der Besorgung der Ceska-Pistole geholfen haben soll, mit der neun von zehn Morden des NSU begangen wurden.
Enrico T. berichtet den Ermittlern, dass Böhnhardt gewusst habe, wo sein Boot lag. Seit dem Mord im Sommer 1993 ist es spurlos verschwunden. Nach dem Streit, so T., habe sein alter Kumpel ihm möglicherweise etwas in die Schuhe schieben wollen, deshalb habe der Bootsmotor in der Nähe des Leichnams gelegen.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) forderte am Freitag, dem 14. Oktober 2016, dass der Tod von Bernd B. neu geprüft werden solle. „Es gab einen Tod eines neunjährigen Kindes in den neunziger Jahren in Jena und da war Böhnhardt schon einmal im Visier und das müssen wir alles viel, viel gründlicher betrachten“, sagte Ramelow.
Hütte in der Nähe von Peggys Leichenfundort
Mit dem Fund von Uwe Böhnhardts DNA am Fundort von Peggys Leiche in der Nähe von Rodacherbrunn im Saale-Orla-Kreis nimmt der Fall eine dramatische Wende. Allerdings: „In welchem Zusammenhang diese DNA-Spur gesetzt wurde, wo sie entstanden ist und ob sie in Verbindung mit dem Tod von Peggy K. steht, bedarf weiterer umfassender Ermittlungen in alle Richtungen, die derzeit geführt werden und ganz am Anfang stehen“, so die Staatsanwaltschaft in Bayreuth am Donnerstagabend.
Die damals Neunjährige war am 7. Mai 2001 im nordbayerischen Lichtenberg auf dem Heimweg von der Schule verschwunden. Am 2. Juli dieses Jahres hatte ein Pilzsammler Teile ihres Skeletts in einem Waldstück gefunden – nur rund 15 Kilometer vom Heimatort des Mädchens entfernt.
In den Tagesthemen wies NSU-Opferanwalt Yavuz Narin darauf hin, dass ein „Neonazi aus dem Umfeld des NSU-Trios eine Hütte in der Nähe des Fundortes der Leiche“ von Peggy besitzt. Aus Insiderkreisen heißt es gegenüber Thüringen24, dass die Hütte Enrico T. gehört – genau diesem Enrico T., der 1993 genauso wie Böhnhardt unter Mordverdacht stand.
Bekannter des NSU arbeitete in der Nähe von Peggys Wohnort
Seitdem das NSU-Trio aufgeflogen ist, musste auch Kai D, V-Mann des Bayerischen Verfassungsschutzes, sich unangenehme Fragen vor Gericht stellen. Sein Name stand auf einer Telefonliste, die Polizisten in Jena in einer Garage fanden, als Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt untertauchten. Sein gruseliger Deckname? „Undertaker“, also Totengräber. Diesen trug er allerdings schon vor dem Verschwinden von Peggy. Kai D. betrieb in den 90er-Jahren in Steinwiesen ein „Computer-Grafik-Design-Studio“ und in Weißenbrunn die Sicherheitsfirma „Secuguard“. Mit beiden Firmen unterstützte er die Neonaziszene. Der Ort Steinwiesen ist mit 23 Kilometer Entfernung ganz in der Nähe von Peggys Wohnort – zum Fundort der Leiche sind es sogar nur 17 Kilometer.
Kai D. war eng befreundet mit Tino Brand, der im Dezember 2014 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen, Beihilfe zu sexuellem Missbrauch und Förderung von Prostitution in 66 Fällen zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt wurde. Brandt stammt aus Rudolstadt und war sowohl in Nordbayern, als auch im Kreis Saalfeld-Rudolstadt als Neonazi aktiv. Laut dem Landgericht verübte Brandt seine Straftaten im Zeitraum von Mitte 2011 bis Mitte 2014. Die Staatsanwaltschaft Gera ermittelte von 1995-1997 gegen Kai D. und Brandt wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“. Das Verfahren wurde „mit Hinblick auf die V-Mann-Tätigkeit Daleks“ eingestellt, wie es im bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss hieß.
Kinderspielzeug und Kinderpornos beim NSU-Trio gefunden
Im abgebrannten Wohnmobil des NSU in Eisenach fanden die Ermittler damals auch Kinderspielzeug, für das sie bis heute keine Erklärung hatten. Darunter ein Notizblock mit „Winnie the Pooh“-Aufdruck, einer Spielfigur, einer Wasserpistole und einem Kinderschuhe in der Größe 33. Damals, am 4. November 2011, fanden die Ermittler in dem Wohnmobil außerdem das Erbgutmaterial einer weiblichen Person, die den Ermittlern nicht bekannt war. Nebenklageanwälte vermuteten, dass es im NSU-Umfeld ein weiteres Kind samt zugehörigem Erwachsenen geben müssten. Am Freitag, 14. Oktober, wurde von der Polizei bekanntgegeben, dass die weiblichen DNA-Spuren im Wohnwagen nicht zu Peggy gehören.
Im Schutt des Zwickauer Hauses fanden Ermittler auf einer Festplatte kinderpornographisches Material. Laut der Staatsanwaltschaft Zwickau wurde gegen Beate Zschäpe hinterher auch wegen des Fundes kinderpornographischer Dateien auf ihrem Computer ermittelt. Ob der Computer von Böhnhardt genutzt wurde, ist bislang unklar.
Spielzeug fanden die Ermittler nicht nur im Wohnwagen, sondern auch im Haus in Zwickau: ein Kinderbuch, einen Hubschrauber, ein Karten- und Memoryspiel, Spielzeugwaffen sowie ein gemaltes Kinderbild. Nichts davon wurde molekulargenetisch untersucht, schreiben die Stuttgarter Nachrichten. Dabei behauptete eine Zeugin, die NSU-Angeklagte Beate Zschäpe im Oktober 2011 mit einem kleinen Mädchen gesehen zu haben. Zusammen mit Böhnhardt mietete Zschäpe ein Wohnmobil im sächsischen Schreiersgrün. Eine Angestellte der Verleihfirma sagte aus, die beiden seien von einem vier- oder fünfjährigen Mädchen mit längeren, blonden Haaren begleitet worden. Das Mädchen habe Zschäpe „Mama“ genannt.