Veröffentlicht inThüringen

Besinnung auf die Wurzeln: Denkmalschutz statt Fußball

Besinnung auf die Wurzeln: Denkmalschutz statt Fußball

denkmalschutz_uder_dpa.jpg
Roland Schneider (l-r), Andreas Uhlich, Markus Wehr und Ulrich Wölm stehen am 05.09.2016 im Laubengang des Knorrschen Hauses in Uder. Das 1485 erbaute Fachwerkensemble hat Glück. Mittlerweile 63 Männer und Frauen engagieren sich in einem Freundeskreis für die «Urzelle der Gemeinde», wie der Vereinschef Andreas Uhlich das älteste Fachwerkhaus im 2700-Einwohner-Ort umschreibt. Foto: Claudia Götze/dpa

Viele Ehrenamtliche werkeln an alten Gemäuern und Fassaden. Sonst würde manch historisches Gebäude verfallen. Ein jährliches Datum, das gerade wieder bevorsteht, würdigt auch ihren Einsatz.

Es riecht nach Leinöl. Das alte Fachwerkensemble strahlt Gemütlichkeit aus. Im Vergleich zu vielen anderen alten Gebäuden hat das sogenannte Knorrsche Haus in Uder (Kreis Eichsfeld) Glück: Mittlerweile versuchen 63 Männer und Frauen, es vor dem Verfall zu retten.

Sie engagieren sich in einem Freundeskreis für die „Urzelle der Gemeinde“, wie Andreas Uhlich das älteste Fachwerkhaus in dem 2700-Einwohner-Ort nennt. „Es ist wichtig, sich auf seine Wurzeln zu besinnen“, sagt der 48-jährige Vereinschef. Die Wurzeln der Rittersfamilie Knorr reichen bis ins 11. Jahrhundert zurück.

Bisher ist etwa die Hälfte der Sanierung geschafft. Das Fachwerk ist bearbeitet, der Dachstuhl gerichtet und die Dächer sind gedeckt. Rund 350 000 Euro wurden für Firmenleistungen bezahlt. „Was trotz Förderung in Eigenleistung möglich ist und wofür Zeit ist, machen wir“, sagt Ulrich Wölm. Der 66-Jährige stammt aus Göttingen und wollte das Haus einst selbst kaufen. Aber das wäre für eine Privatperson ein Fass ohne Boden gewesen, sagt er mittlerweile.

Vereine kämen dagegen an Fördermittel aus der Dorferneuerung oder Lottomittel heran. Wie Wölm ist auch Roland Schneider von Anfang an dabei. „Ich war auf der Suche nach einer Freizeitbeschäftigung“, erklärt der 55-Jährige. Anders bei Markus Wehr: Der gebürtige Uderaner lebt mittlerweile im Nachbarort Arenshausen. Weil er in seinen Geburtsort zurückkehren und bauen wollte, hat er frühzeitig Anschluss an einen Verein gesucht. Auf Fußball oder Feuerwehr habe er keine Lust, sagt der 44-Jährige.

Landesweit gibt es zahlreiche ähnliche Beispiele, wie alte Gebäude durch privates Engagement vor dem Verfall gerettet wurden. Sie stehen am kommenden Sonntag beim Tag des offenen Denkmals im Mittelpunkt. Rund 700 historische Baudenkmale in Thüringen öffnen ihre Tore für Besucher. Das Haus in Uder ist dieses Mal nicht dabei: Die dortige Baustelle sei zu gefährlich für Besucher, heißt es.

Allerdings soll sie bald verschwinden. In nur dreieinhalb Jahren leistete der Freundeskreis nach eigenen Angaben 5000 bis 6000 Stunden ehrenamtliche Arbeit. Das „Altenteil“, einstiges Domizil für Tagelöhner und alte Leute, sei bereits fertig gestellt, erzählt der Vereinsvorsitzende Uhlich. Dort sind eine Pilgerwohnung und Sanitäranlagen untergebracht. Auch die Arbeiten am Laubengang aus Beton und Metallgeländer seien abgeschlossen. Wie ein Balkon thront er im Hof und hat bereits das erste Konzert überstanden.

In zwei bis drei Jahren soll das Haupthaus fertig sein und ein historisches Trauzimmer sowie den Verwaltungssitz von Uder aufnehmen. Darauf freut sich schon Bürgermeister Gerhard Martin (CDU), dessen Amtsstube sich derzeit im Feuerwehrgerätehaus befindet. So schnell wie möglich möchte er in den Fachwerkhof gegenüber der kleinen Dorfkirche ziehen. Auch schon unfertig hat das Knorrsche Haus seine Bedeutung für die Kommune unter Beweis gestellt: Ohne Strom, Wasser und Heizung gab es dort unter anderem Lesungen, Workshops, Konzerte und Adventsmärkte.