Der einstige Bordell-Boss gibt Tipps zum Flirten. Mit seinen Prostituierten ist er offensichtlich wenig zimperlich umgegangen. Im Prozess gegen den 34-Jährigen geht es auch um Menschenhandel.
Erst holte er die geistig behinderte Tschechin nach Ostthüringen, dann verkaufte er sie an Freier. Bis zu 700 Euro kassierte der 34-Jährige jeweils für ihre Sexdienste. Doch das Geld behielt er größtenteils für sich. So schildert es zumindest die Anklage, die Staatsanwältin Jana Böse am Dienstag am Landgericht Gera verliest. Und es ist nicht der einzige Fall, in dem der aus Bayern stammende Rotlicht-Boss Prostituierte ausgebeutet und misshandelt haben soll. Einer anderen Frau habe er Tränengas ins Gesicht gesprüht und sie mit einem Baseballschläger verprügelt. Dann sei sie nach Plauen verschleppt und dort etwa eine Woche lang eingesperrt worden – um bei Freiern vermeintliche Schulden abzuarbeiten.
Der 34-Jährige – kurz geschorener Kopf, schwarzer Kapuzenpulli und Tattoo über dem Ohr – ist in der Szene kein Unbekannter. So soll er in der Vergangenheit auch Bordelle etwa in Bad Kissingen (Bayern) betrieben haben. Als Autor war der einstige Schlossbesitzer ebenfalls tätig: Seine Erfahrungen im Rotlichtmilieu hat er in einem Krimi und einem Flirt-Ratgeber verarbeitet. Doch zum Prozessauftakt zieht er es vor zu schweigen.
Redselig war er aber in Briefen, die er aus der Untersuchungshaft an die Staatsanwaltschaft schrieb. Sie werden nun vor Gericht verlesen. Darin berichtet er von Sex-Orgien in Prag, einem gescheiterten Versuch als Disco-Betreiber und seinem Weg in die Rotlicht-Szene – zunächst mit einem Fetisch-Studio, dem mehrere Bordelle gefolgt seien. „Ich habe die Frauen immer gut behandelt und bezahlt“, beteuert er darin, die Vorwürfe des Menschenhandels und der Zuhälterei weist er zurück. Die Frauen seien freiwillig bei ihm gewesen, und er habe sie zu nichts gezwungen; die Einnahmen seien hälftig geteilt worden. „Sie kamen zu mir, weil sie sich bei mir wohlfühlten und Geld verdienen wollten.“
Angeklagter: Komplott! Polizisten seien angeblich neidisch auf ihn
Der Angeklagte schreibt von Intrigen und will glauben machen, dass sich alle gegen ihn verschworen hätten: Seine Ex-Partnerin, die als Domina gearbeitet hat, und ihre Mutter ebenso wie Polizisten, die ihm seinen exzessiven Lebensstil neideten. Und immer wieder bietet er der Staatsanwaltschaft an, ihm bekannte Drogenhändler zu benennen – im Gegenzug will er aus der U-Haft kommen.
Der Prozess wirft erneut ein Schlaglicht auf die Situation mancher Prostituierten hierzulande – vor allem wenn sie aus dem Ausland kommen. Ihre Lage ist verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Deutschland gilt als wichtiges Zielland des Menschenhandels zum Zweck sexueller Ausbeutung. Nach Zahlen der EU-Kommission wurden zwischen 2010 und 2012 europaweit mehr als 30 000 Personen Opfer von Menschenhändlern. Der Bundestag hatte im Juli beschlossen, Prostituierte besser vor Ausbeutung zu schützen und Freier zu bestrafen, die bewusst Dienste einer Zwangsprostituierten nutzen.
Für den Prozess in Gera sind vorerst weitere Verhandlungstage bis Ende September geplant. Neben gefährlicher Körperverletzung, gewerbsmäßigen Menschenhandel und ausbeuterischer Zuhälterei muss sich der 34-Jährige auch wegen illegalen Besitzes von Waffen, Sprengstoff und Drogen verantworten. Diese waren im Dezember 2015 bei einer Durchsuchung seines Anwesens in Hirschberg (Saale-Orla-Kreis) entdeckt worden.