England oder Kroatien? Im Halbfinale am Mittwoch wird in Moskau der zweite Finalist der Fußball-Weltmeisterschaft ermittelt. In beiden Ländern wird euphorisch auf das Match hingefiebert.
Moskau.
Kroatien und England stehen sich um 20.00 Uhr im zweiten Halbfinale der Fußball-WM im Moskauer Luschniki-Stadion gegenüber.
Die Engländer von Trainer Gareth Southgate können mit einem Sieg erstmals seit dem Gewinn der Weltmeisterschaft im Jahr 1966 wieder ein WM-Finale erreichen. Für die Kroaten um Mittelfeldstar Luka Modric von Real Madrid geht es um die erste Endspielteilnahme überhaupt. Die Euphorie kennt in beiden Ländern keine Grenzen.
PUBLIC SCREENING: Die Insel steht kopf. Dass es kein Public Viewing geben wird, liegt nur am Namen. Denn das ist der englische Begriff für „Leichenschau“. Dafür wird es Public Screenings geben. Das größte im Londoner Hyde Park. Die Nachfrage überstieg die Anzahl von 30 000 Tickets deutlich. Die Glücklichen mussten ausgelost werden – so manches WM-Ticket war einfacher zu ergattern. Und die Nachfrage so groß, dass die Technik versagte. „Das WM-Fieber hat London und die ganze Nation gepackt“, sagte Londons Bürgermeister Sadiq Khan. Die Lightning Seeds werden treten auf und singen „Football’s Coming Home“.
EUPHORIE: Kroatiens größte Boulevardzeitung „24sata“ lobte Handschuhe von Nationaltorhüter Danijel Subasic für das schönste Anfeuerungsfoto aus. Es kamen Bilder von Kleinkindern und Hunden im Nationaltrikot. Ein Paar streifte sogar das Nationaltrikot über Hochzeitskleid und Anzug. „Kroatien hat die totale Fußball-Hysterie erfasst“, schrieb das Promi-Portal „Index“. Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic, die den Viertelfinal-Sieg mit den Spielern in der Kabine feierte, wird zum dritten Mal im Stadion sein und bringt diesmal auch Regierungschef Andrej Plenkovic mit.
GUMMIHÜHNER: Englands Nationaltrainer Gareth Southgate setzte in der Vorbereitung auf den Spaßfaktor – und auf ungewöhnliche Trainingsmethoden. Am Tag vor dem großen Spiel ließ der Coach seine Profis mit einem Gummihuhn trainieren, das sich Harry Kane und Co. gegenseitig unter großem Gelächter zuwarfen. Die kuriose Übung im englischen Trainingslager in Repino bei St. Petersburg diente zum Warmmachen und kam bei den Spielern sichtlich gut an.
EINHEIT: Southgate sieht sein Team vor dem Halbfinale auch auf einer Mission, die über den Sport hinausgeht. „Unsere Fans haben lange gelitten mit Blick auf den Fußball“, sagte der Ex-Profi. „Unser Land ist durch einige schwierige Zeiten gegangen, wenn es um die Einheit geht. Sport und Fußball im Besonderen haben die Kraft, das anzusprechen. Es ist ein besonderes Gefühl und ein Privileg für uns.“ Die Three Lions stehen erstmals seit 28 Jahren wieder in der Vorschlussrunde einer Weltmeisterschaft.
DAS SPRICHT FÜR KROATIEN: In Luka Modric hat das Team von Trainer Zlatko Dalic den vielleicht herausragenden Spieler dieser WM. Alle Angriffe laufen über den klugen und laufstarken Ballverteiler von Real Madrid, der mit Barcelona-Star Ivan Rakitic noch einen absoluten Weltklasse-Mann neben sich hat.
Im Angriff verfügt der WM-Dritte von 1998 über eine gute Mischung: den abgezockten früheren Bayern-Profi Mario Mandzukic, den wuchtigen Ante Rebic von Eintracht Frankfurt und den Hoffenheimer Andre Kramaric, der auf engstem Raum eine Lücke findet. In der Defensive sind Dejan Lovren (FC Liverpool) und Domagoj Vida (Besiktas Istanbul) zwei mit allen Wassern gewaschene Innenverteidiger.
DAS SPRICHT FÜR ENGLAND: Die Engländer haben ihren Fußball überarbeitet, die Einflüsse ausländischer Top-Trainer wie Pep Guardiola oder Jürgen Klopp eingebunden. Sie haben viele kleine Blöcke in ihren Team, zuletzt standen je drei Spieler von Manchester City und Tottenham Hotspur sowie zwei von Manchester United in der Startelf. Und nach der Ära dominanter, aber erdrückender Leader wie John Terry, Steven Gerrard oder Frank Lampard stellen sie nun ein echtes Kollektiv.
Sie haben in Jordan Pickford endlich einen richtig guten Torhüter, in Harry Kane einen zuverlässigen Torjäger und sie können inzwischen sogar Elfmeterschießen und haben auch keine Angst mehr davor. Da sie erst eines bestreiten mussten, haben sie eine Verlängerung weniger in den Knochen als die Kroaten. Auch das sehen sie als großen Vorteil.
DIE BISHER WICHTIGSTEN DUELLE: Obwohl die Kroaten eine noch nicht einmal 30-jährige Verbandsgeschichte haben, sind beide Teams schon sieben Mal aufeinandergetroffen. Fünf Partien davon waren Pflichtspiele, aber noch keines fand bei einer WM statt. Bei einer EM-Endrunde begegneten sie sich nur 2004 am letzten Gruppenspieltag. Kroatien führte durch Niko Kovac, England gewann unter anderem durch zwei Tore von Wayne Rooney mit 4:2 und kam weiter. Je einmal verdarben sich beide Turnier-Teilnahmen. England verpasste durch ein 2:3 im letzten Gruppenspiel in Kroatien das Ticket für die EM 2008. Und verwehrte Kroatien zwei Jahre später durch ein 5:1 im direkten Vergleich im drittletzten Spiel und eine 0:1-Niederlage gegen Kroatiens Rivale Ukraine im vorletzten die WM-Teilnahme.