Es war ein Fall, der ganz Deutschland erschütterte. Im Jahr 2007 wurde Polizistin Michèle Kiesewetter am helllichten Tag ermordet. Mitten in Heilbronn. Erst Jahre später wird klar: Der Mord geht auf das Konto der rechtsextremen Terrororganisation NSU. Der ARD-Film „Die Nichte des Polizisten“ ist an genau diesen Fall angelehnt. In der Hauptrolle: Magdalena Laubisch. Wir haben mit der 27-Jährigen über die Dreharbeiten und das dramatische Film-Ende gesprochen.
Liebe Frau Laubisch, Sie spielen Rebecca Henselmann. Eine Figur, die sich an der ermordeten Polizistin Michèle Kiesewetter orientiert. Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?
Natürlich ist unser Film von der Geschichte Michèle Kiesewetters inspiriert, ich habe aber nie probiert, sie als Vorbild zu nehmen oder diese Person „zu werden“. Viel wichtiger war es für mich zu verstehen, wie sich eine junge Frau in so einer männerdominierten Spezialeinheit der Polizei fühlt, wie sie sich behauptet und durchsetzt. Dabei spielten Sport und körperliche Präsenz eine große Rolle in der Vorbereitung.
Als Kiesewetter vom NSU umgebracht wurde, waren Sie noch ein Kind. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie das Buch zu „Die Nichte des Polizisten“ das erste Mal lasen?
Der Film beginnt ja unter anderem damit, dass eingeblendet wird, dass das Mögliche, Verlorene und Vergessene erzählt wird. Das zündet natürlich die Fantasie an und lässt einen mit vielen Fragen zurück. Und so war das auch nach dem ersten lesen.
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Als junge Polizistin geraten Sie in ein Umfeld geprägt von Machtmissbrauch. Haben Sie dies auch in ihrem persönlichen beruflichen Umfeld bereits erleben müssen?
Solange die Filmbranche Strukturen ermöglicht, in denen Machtmissbrauch möglich ist, solange wird es ihn auch geben.
Ihre Filmfigur stammt aus Thüringen, kommt dort mit rechtsextremen Strukturen in Kontakt. Sie selbst sind in Halle (Saale) geboren. Einer Stadt, in der die AfD bei der Bundestagswahl stärkste Kraft wurde. Wie erklären Sie sich den großen rechten Zuspruch gerade im Osten Deutschlands?
Ich bin Schauspielerin, wenn Sie also eine politikwissenschaftliche Expertise haben wollen, dann muss definitiv jemand anders her! Meine ganz persönliche Beobachtung: Die AfD bietet sehr einfache Antworten auf komplexe und vielschichtige Probleme, die unter anderem speziell den Osten betreffen: strukturschwache Gebiete, eine Erschöpfung nach den Umbrüchen der Wende oder eine fehlende Repräsentanz der Ostdeutschen in Politik und Medien. Da die AfD ja aber schon lange nicht mehr nur ein ostdeutsches Problem ist und wir leider überall auf der Welt einen Rechtsruck erleben müssen, bleibt für mich eine viel wichtigere Frage übrig: Wie kann die Politik den Menschen wieder glaubwürdig vermitteln, dass ihr ganz persönlicher Lebensentwurf in unserer Demokratie Raum bekommt, sie akzeptiert sind und gestalten können.
Wie empfanden Sie das Ende des Filmes?
Das Ende ist wie ein Schlag ins Gesicht. Plötzlich ist man ganz wach und im Hier und Jetzt.
Die ARD zeigt den Film „Die Nichte des Polizisten“ am 8. Oktober um 20.15 Uhr. Im Anschluss strahlt der Sender die Dokumentation „Warum starb Michèle Kiesewetter?“ aus.

