Eine Jenaerin wollte eigentlich nur helfen. Zusammen mit ihrem Team wollte sie sich um ein verletztes Kätzchen kümmern. Dass daraus eine über 100 Kilometer lange Tortur werden wird, konnte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen.
Ihre Geschichte zeigt deutlich, mit welchen Hürden sich die Tierschützer in Jena, Thüringen – und ganz Deutschland – derzeit konfrontiert sehen. Was war da los?
Jena: Im Umkreis gab es nichts
Nach langem Warten in der Warteschleife der Notfallnummer von Tierärzten kam Cindy vom Tierschutzverein Jena und Umgebung endlich durch: „Ich brauchte eine Tierärztin mit einem Röntgengerät. Als ich dann endlich jemanden erreicht hatte, war eine Tierärztin dran, die keinen Röntgen da hatte und einen Monat vor der Rente stand“, erzählt sie im Thüringen24-Gespräch. „Da hab ich wieder die zentralvermittelnde Notfalldienstnummer der Thüringer Tierärzte angerufen und gefragt: ‚Wie sieht’s aus? Hat in den umliegenden Kreisen jemand Dienst, der so ein Gerät hat?‘ Als ich dann die Nummer von Saalfeld-Rudolstadt bekommen habe, bin ich wieder in Jena bei der gleichen Ärztin herausgekommen. Ein Arzt aus einem anderen Landkreis ist gar nicht erst rangegangen.“
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Cindy ist seit mehreren Jahren im Jenaer Tierschutzverein aktiv und hat schon viel miterlebt. Immer wieder wird aus ihrer ehrenamtlichen Arbeit eine unfreiwillige Nachtschicht. Etliche Male schon fanden sie und ihre Mitarbeiter im südlichen Saaletal Tiere, die sich in einem katastrophalen gesundheitlichen Zustand befanden. Sie einfach so ihrem Schicksal zu überlassen: Das würde sie aber nicht übers Herz bringen.
Wenig Personal für mehr und mehr Tierhalter
In Gera gebe es keine Notfallklinik mehr, erzählt die Tierschützerin weiter. Auch in der Tierklinik Jena würden die Ärzte keine Notfälle mehr behandeln. Sie und ihre Kollegin Anna sahen sich gezwungen, mit dem verletzten Tier nach Leipzig zu fahren, wo man es adäquat versorge konnte. „Das geht gar nicht, dass keiner im Notdienst vor Ort da ist“, sagt sie. Sie habe anderthalb Stunden telefoniert, um herauszufinden, dass sie nur noch nach Leipzig fahren können. Um 23 Uhr konnten sie endlich losfahren und waren um vier Uhr wieder zu Hause. Glücklicherweise sei das Tier nicht schwerer verletzt gewesen. Dann wäre es vermutlich gestorben, erzählt Cindy.
Ihre Geschichte ist beispielhaft für vermutlich viele weitere in ganz Deutschland. Der Präsident der Landestierärztekammer Thüringen, Lothar Hoffmann, berichtete jüngst der „Deutschen Presse Agentur“ (dpa), dass die Aufgaben für Tierärzte in den letzten Jahren angestiegen seien. Grund dafür seien beispielsweise die steigende Anzahl der Tierhalter oder auch Tierärzte, die mittlerweile kurz vor der Rente stehen oder bereits in Rente sind. Teilzeitmodelle, die einige Ärzte in Anspruch nehmen, seien auch Teil des Problems.
All diese Faktoren führen zu längeren Wartezeiten. Dadurch, dass es in der Tiermedizin keine Tarifverträge gibt, wie es in der Humanmedizin üblich ist, sind die Angestellten an die Arbeitszeiten des Gesetzgebers gebunden. Tariflich festgelegte Ausnahmen, in denen das Personal mehr arbeiten darf, gibt es nicht. Anders ist es bei den Humanmedizinern.
Immer weniger 24/7-Kliniken
Eine Folge dessen sei die Umwandlung von vielen 24-Stunden-Kliniken in tierärztliche Fachzentren mit festen Öffnungszeiten. Von der Gesetzeslage her ist es so für die Ärzte oft einfacher. In Thüringen seien, laut Hoffmann, von den fünf 24-Stunden-Kliniken nur noch zwei übrig. Man bräuchte eine Arbeitszeitangleichung wie in der Humanmedizin.
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Auch die Branchen-Initiative „Tierarztmangel.de“ weist auf dieses Problem hin. Auf der Internetseite heißt es: „Viele tierärztliche Kliniken geben die 24/7-Versorgung auf. Der Personalmangel in der kurativen Praxis gefährdet schon jetzt die flächendeckende Versorgung von Haus-, Hobby- und Nutztieren; und damit auch das Staatsziel Tierschutz“.
Es gibt Ideen
Lösungsansätze für das Problem des Personalmangels bei Tierärzten kann man auf der Internetseite der Initiative finden. Einer der Ideen ist die Schaffung von mehr Studienplätzen, um so dann in Zukunft für mehr Tierärzte ausbilden zu können. (mit dpa)