- Am Erfurter Gutenberg-Gymnasium wurde an das Massaker vor 15 Jahren erinnert
- 16 Menschen wurden damals von einem Ex-Schüler getötet
Helle Glockentöne klingen über den Platz vor dem Erfurter Gutenberg-Gymnasium. 16-mal schlägt der Klöppel gegen den Bronzemantel – er schlägt für die 16 Menschen, die am 26. April 2002 in diesem Schulgebäude auf schreckliche Weise ihr Leben verloren. 15 Jahre nach dem Amoklauf eines 19-Jährigen Ex-Schülers haben am Mittwoch mehrere Hundert Menschen an die elf Lehrer, eine Referendarin, eine Sekretärin, zwei Schüler und einen Polizisten erinnert. Eigens für die Todesopfer hat die Schule eine Glocke gießen lassen, die am Mittwoch zum ersten Mal erklingt. Der Amokläufer hatte sich nach dem Massaker selbst getötet.
Viele tragen Blumensträuße – manche weinen
„16 Menschen wurden innerhalb weniger Minuten Opfer unentschuldbarer Gewalt“, sagt Schuldirektorin Christiane Alt. Die neue Schulglocke sei „Ruferin gegen das Vergessen und Mahnerin, jedweder Gewalt entgegenzutreten“. Zwei Jahre lang haben Schule und Schulförderverein dafür Spenden gesammelt, Schüler wirkten an der Gestaltung mit. „Der 26. April 2002 war ein trauriger Tag“ steht auf dem Mantel der Bronzeglocke, die nach einem Fehlguss erst wenige Tage vor der Gedenkfeier fertig wurde.
Bildergalerie: Gutenberg-Gymnasium trauert
Dicht an dicht stehen die Trauernden auf der Wiese vor dem Schulgebäude und auf der großen Treppe vor dem Eingang, die das Gymnasium bei einem Umbau nach dem Amoklauf erhalten hat. Unter ihnen sind nicht nur heutige Schüler des Gymnasiums und Überlebende der Tragödie, auch zahlreiche Erfurter sind gekommen. Viele tragen Blumensträuße. Als die Schuldirektorin um eine Schweigeminute für die Toten bittet, haben manche Tränen in den Augen.
Stellvertretender Direktor Thomas Andrä: „Wir müssen daran erinnern“
Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), Innenminister Holger Poppenhäger und Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein (beide SPD) legen schweigend Blumen unter der Gedenktafel mit den Namen der Opfer nieder.
Video: Trauerfeier vor dem Gutenberg-Gymnasium
Der 17-jährige Daniel Cieslak, der die Glocke zu Ehren der Todesopfer läutet, kennt die Ereignisse vor 15 Jahren nur aus Erzählungen seiner Eltern. „Es geht darum, diesen Teil der Geschichte nicht zu vergessen“, sagt er. So sieht das auch Thomas Andrä, der als junger Lehrer wenige Monate nach dem Amoklauf an das Gymnasium kam und heute stellvertretender Direktor ist. „Wir müssen daran erinnern.“
Polizei ehrt in Meiningen getöteten Kollegen
Ein junger Mann sitzt in sich versunken auf einer Steinmauer, neben ihm ein Blumenstrauß. Er denke besonders an den von dem Amokschützen getöteten Polizisten, der der Mann seiner Lehrerin gewesen sei, sagt Toni Dommann leise. „Eine ganz schlimme Sache.“ Der 30-Jährige wünscht sich, dass das jährliche Gedenkritual beibehalten wird. Dafür sei das Massaker einfach zu schlimm gewesen. „Das ist doch nicht so wie ein Verkehrsdelikt.“
90 Kilometer südwestlich von Erfurt, in Meiningen, ehrt auch die Thüringer Polizei am Mittwoch den getöteten Polizeibeamten, der beim Amoklauf als einer der ersten Polizisten am Gutenberg-Gymnasium war. An ihrem Bildungszentrum weihte sie einen „Ort der Stille“ ein – einen von Rabatten und Rosenpflanzungen umgebenen Gedenkstein auf einer Grünfläche.