Clueso macht mit seinem siebten Solo-Album „Neuanfang“, das an diesem Freitag auf den Markt kommt, einen Schnitt. Der Musiker aus Erfurt trennte sich von seiner langjährigen Band, suchte einen neuen Produzenten und löste sich von Vertrauten und Vertrautem. Die Zeit sei für ihn sehr schwer, aber auch äußerst wichtig gewesen, erzählt der 36-Jährige im Interview der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Warum kamst Du im Laufe der letztjährigen Tour an den Punkt, einen Neuanfang starten zu wollen?
Das kam Schritt für Schritt. Ich hatte anfänglich große Lust, ein Soloalbum zu machen, ohne festzulegen, wer alles dabei ist und was ich am Ende tatsächlich mache. Ein Soloalbum, Reisen, egal was. Darum bin ich aus der Band ausgestiegen. Das Bedürfnis, sich alleine zu bewegen, ist so gewachsen, dass ich das in meinem ganzen Umfeld gemacht habe.
Das heißt?
Das geht vom Label über das Management. Ich bin auch aus der WG im Erfurter Zughafen ausgezogen und habe gemerkt, dass ich diese Beweglichkeit, diese Art Unabhängigkeit, brauchte. Das tat mir sehr gut.
So ein Schritt geht meist damit einher, dass man Menschen in seinem Umfeld verletzt…
Das war eigentlich die größte Frage, die ich mir während meines Weges gestellt habe. Wie kann ich für dieses Bauchgefühl einstehen, das ich in dem Moment hatte, ohne mit den Leuten zu brechen? Die zweite Frage war: Was mache ich eigentlich und warum? Ich weiß jetzt, dass es viel ums Erwachsenwerden geht, um autonome Kontakte zu Menschen. Vorher haben wir alles zusammen erlebt. Ich habe mir dann gesagt: Ab hier gehe ich jetzt allein.
Wie hat denn Dein Umfeld reagiert?
Die meisten haben mich verstanden. In meiner Band waren Leute, die ich seit Jahren kenne, mit denen ich unglaublich viele Konzerte gespielt habe. Das schweißt unfassbar zusammen. Darum können die genau fühlen, was ich fühle. Das Schwerste war, dass ich sie alle sehr mag. Aber es gibt auch Leute, bei denen das auf Unverständnis gestoßen ist. Oder es gab Situationen, in denen ich es nicht so gut gelöst habe.
Oft fehlt am Ende der Mut für einen Neuanfang. Wie sehr hat Dich dieser Gedanke beschäftigt?
Wenn du dich aus deiner Komfortzone und deinem Umfeld lösen willst, sind das eigentlich die Berater, zu denen du mit solchen Gedanken gehst. Darum bin ich eher zu meinen Eltern gegangen. Es gab viele schlaflose Nächte, und ich musste mich sehr mit mir auseinandersetzen.
Der Wunsch nach einem Neuanfang geht im Alltag ja oft wieder verloren…
Als Musiker hast du so etwas wie Alltag gar nicht. Es verschwimmt alles. Das muss man sich vorstellen wie ein Familienbetrieb. Die Arbeit hat so viel mit dem Privatleben zu tun und umgedreht, dass du diesen Neuanfang nicht nur auf eine Sache begrenzen kannst. Es war sicherlich eine der schwersten Zeiten in meinem Leben, aber auch eine sehr wichtige. Weil es ums Erwachsenwerden geht.
Wie hat sich der Neuanfang auf den Sound des Albums ausgewirkt?
Das Wichtigste war, dass ich mit Tobias Kuhn einen neuen Produzenten gefunden habe, dem ich sehr vertraue. Wir sind erstmal drei Tage in die Berge gefahren und haben uns kennengelernt. Tobi fragte mich zum Beispiel, ob ich gerne komplizierte Akkorde mag. Als ich das bejahte, meinte er: Dann lass‘ sie weg! Er wollte die Texte in den Vordergrund rücken und mein bestes Album produzieren. Das war sein Anspruch. Wenn ich die Sachen jetzt höre, bin ich sehr, sehr stolz auf das Album.
Du hast deinen Instagram-Account aufgeräumt. Hast Du noch andere Dinge verändert, um den Neuanfang zu symbolisieren?
Eigentlich nur, dass ich aus meiner WG ausgezogen bin. Ich fahre jetzt mit der Bahn zur Arbeit und habe das Bett nicht mehr neben dem Studio. Der Wahnsinn ist getrennt. Ansonsten brauche ich keine neue Frisur oder sonst etwas, sondern packe die Veränderungen in meine Musik.
Du gehst mit dem Album bald auf Clubtour, gibst danach größere Konzerte. Wie läuft das ab ohne Deine alte Band?
Wir haben eine neue Konstellation gefunden, in der ich die Sachen erst in kleineren Clubs ausprobiere. Ich will der Band nicht gleich den großen Endgegner vorsetzen, sondern erstmal die ersten Levels freispielen. Manche Fans haben sich beschwert, dass sie die Tickets schon kaufen mussten, bevor sie das Album gehört haben. Aber es war meine Entscheidung, erstmal in Clubs zu gehen und den Neuanfang klein zu gestalten.
Was ist Dein Ratschlag für Menschen, die sich nach einem Neuanfang sehnen?
Jeder wird in seinem Leben zwangsläufig einen Neuanfang erfahren. Die meisten, wie ich, mit Mitte 30. Das ist so eine Zeit, in der man versucht, mehr Leben reinzulassen, Dinge auszuprobieren und eine Autonomie zu entwickeln. Meine Empfehlung ist aufzuwachen und sich zu überlegen, was man selber braucht. Worum es wirklich geht.