Bemerkenswerter Trend auf TikTok: Unter dem Hashtag #kopftuchabgelegt findet man Videos von selbstbewussten jungen Frauen. Sie erklären, warum sie kein Kopftuch mehr tragen – und unter welchem Druck sie teilweise in der Familie standen. Dabei bemühen sie sich darum, das Thema mit Respekt und differenziert zu betrachten.
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So wie die Influencerin Anna. Sie hat sich für ein Video im Selfie-Modus aufgenommen, während sie ihre schwarzen Haare glättet. In dem Clip beschreibt sie ihre Erfahrungen in der Kindheit und Jugend mit emotionalen Worten: „Zehn Jahre wurde ich gezwungen, ein Kopftuch zu tragen.“ Sie habe sich mit der Kopfbedeckung „nie richtig wohl gefühlt“, doch ihre Eltern hätten das von ihr seit der Grundschule verlangt.
Kopftuch abgelegt: „Ich wollte immer meine Haare zeigen“
Das Kopftuch habe sie eingeschränkt und sie sei deswegen auch ausgegrenzt worden in der Klassengemeinschaft. Doch einen wirklichen Ausweg habe sie auch als Jugendliche nicht gesehen. Ihr Vater sei gewalttätig, wenn sie gegen das Kopftuch rebelliert hätte, wäre er „ausgeflippt und hätte mich geschlagen“. So habe Anna die Kopfbedeckung nur heimlich während der Unterrichtszeit in der Schule abgenommen, jedoch immer große Angst davor gehabt, dabei aufzufliegen. Irgendwann sei sie dann von zu Hause abgehauen.
„Ich wollte es nie tragen. Ich habe meine Haare geliebt. Ich wollte sie immer zeigen. Aber ich konnte es nicht.“
TikTokerin Anna über ihre Kopftuch-Vergangenheit
Doch in dem Clip betont die junge Frau auch, dass es ihre eigene Geschichte sei und es bei anderen Muslimas anders sein kann. Dass andere ihr Kopftuch aus Überzeugung tragen, „weil sie es schön und toll finden“. Jedoch gebe es auch Fälle wie bei ihr und deswegen sei es „so wichtig, dass man darüber spricht“.
Unter dem Hashtag #kopftuchabgelegt findet sich auch ein kurzer Clip von Daoui. Die junge Frau mit Nasenpiercing erzählt von ihren Erfahrungen ganz offen auf TikTok. Auch sie habe das Kopftuch nie tragen wollen. „Von einem Tag auf dem anderen musste ich damit rausgehen.“ Bei ihr waren es ebenso ihre Eltern, die darauf bestanden.
Sie scheint von der Religion ihrer Familie Abstand genommen zu haben und ruft andere Jugendliche und junge Frauen auf, sich ebenfalls zu emanzipieren.
„Ich möchte nicht irgendwo bleiben, wo man mich zu Dingen zwingt, die ich nicht möchte. Und du solltest das auch nicht!“
Daoui auf Tikok
Wie das gehen kann, darauf geht Anna in einem ihrer Clips ein. Betroffene, die sich nicht freiwillig verhüllen, sollten mit Vertrauenspersonen sprechen, die sie bestärken können. Idealerweise seien das Menschen, die aus dem selben Kulturkreis kommen und den Hintergrund besser verstehen können. Auch der Weg zu einer Frauenberatungsstelle sei eine Option.
Andere Sichtweise: „Keine einzige Sekunde bereut“
In einem anderen Clip spricht TikTokerin Mariam über ihre Erfahrungen. Schon über 110.000 Menschen haben ihr für das Video ein Herz gegeben und mehr als 8.000 Menschen haben es bereits kommentiert. Die Kölnerin habe mit neun Jahren angefangen ein Kopftuch zu tragen und bereue „keine einzige Sekunde“ davon. Das Kopftuch habe sie in ihrer Jugend vor „sehr, sehr vielen Sachen beschützt und dafür bin ich unendlich dankbar“, erklärt sie. Nun aber zeigt auch sie ihre Haare in der Öffentlichkeit.
Heute sei sie mit 20 Jahren immer noch eine gläubige Muslima, habe aber die persönliche Entscheidung getroffen, kein Kopftuch mehr zu tragen. Die modebewusste und geschminkte junge Frau wehrt sich in dem Clip gegen Hass-Botschaften und Beleidigungen im Kommentarbereich von Glaubensbrüdern und -schwestern.
Gegentrend: Hijab anprobieren auf der Straße
Auf TikTok gibt es derzeit auch einen anderen Trend – der absolut gegenläufig ist. Unter den Hashtags #hijabtransformation und #hijabtutorial werden Frauen auf der Straße angesprochen und dazu überredet, einen Ganzkörperschleier anzuprobieren. Die meisten Videos entstanden im Sommer, so dass viele der präsentierten Frauen zunächst mit kurzer und körperbetonter Kleidung zu sehen sind.
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In den Vorher-Nachher-Clips sind sie danach bis auf das Gesicht und die Hände vollverschleiert. Die Botschaft, die mit diesen Videos verbreitet werden soll: Mit Verschleierung würden die jungen Frauen angeblich reiner, würdevoller und schöner aussehen als zuvor in westlicher kurzer Kleidung.